"Die Zitrone ist längst ausgequetscht"

gesundheit Klinikpersonal und niedergelassene Ärzte protestieren gemeinsam gegen geplante Reform

Quelle: 05.12.2006, Nordwest-Zeitung, Stefan Idel
Eine Delegation aus Wildeshausen nahm an einer Veranstaltung in Hannover teil. Die Mediziner warnen vor einer neuen Bürokratiewelle. Wildeshausen - "Ich werde hier von den Ärzten und Pflegern bestens betreut. Das soll so bleiben." Manfred Eils ist seit sieben Wochen Patient im Wildeshauser Krankenhaus Johanneum. Er kann nicht verstehen, dass bei der geplanten Gesundheitsreform bundesweit die Kliniken rund 500 Millionen Euro kürzen müssen. Von "Kaputtsparen" spricht die Deutsche Krankenhausgesellschaft. "Ich will, dass das Johanneum erhalten bleibt", sagt der 65-jährige Eils, als er aus den Händen von Johanneum-Chefarzt Dr. Hans-Jürgen Herrmann ein Flugblatt entgegennimmt. Mitarbeiter und Patienten des Klinikums hatten sich gestern ebenso wie viele Wildeshauser Arztpraxen, Apotheken oder Krankenkassen den Protesten gegen die Gesundheitsreform angeschlossen. "Bis auf den Notdienst sind die Praxen dicht", sagte Dr. Volker Kuhlmann, Vorsitzender der Vereinigung von Ärzten und approbierten Psychotherapeuten (VÄP). Eine Delegation mit Johanneum-Verwaltungsdirektor Hubert Bartelt an der Spitze überreichte in Hannover eine Unterschriftenliste an die Landesregierung. Bei dem von der Politik angekündigten Einsparvolumen von einem Prozent handele es sich in Wahrheit um fünf Prozent, bemerkte Bartelt. Unter anderem treffe die Mehrwertsteueranhebung die Krankenhäuser in vollem Umfang. Werde die Reform umgesetzt, müsste das Johanneum insgesamt Zusatzkosten von 400 000 Euro pro Jahr verkraften. Dabei habe die Umstellung auf das so genannte Fallpauschalen-System den Kliniken schon große Probleme bereitet. Bartelt: "Die Zitrone ist bereits ausgequetscht." "Wir befürchten weitere Löcher in der ärztlichen Versorgung", sagte Dr. Kuhlmann mit Blick auf die Versorgung im ländlichen Raum. Denn die höheren Beiträge der Patienten würden nicht für eine bessere Versorgung, sondern für den Ausbau der Bürokratie zweckentfremdet. Schon heute müssten beim Ausfüllen einer Verordnung erhebliche Dokumentationsvorgaben erfüllt werden. "Ein Arzt auf der Station wendet mittlerweile 40 Prozent seiner Arbeitszeit für die Bürokratie auf", ergänzte Chefarzt Herrmann. Das Zeitbudget für die persönliche Fürsorge sinke rapide.