Scharfe Kritik aus der Region am Klinik-Atlas

GESUNDHEIT - Online-Verzeichnis von Krankenhäusern des Gesundheitsministeriums sei fehlerhaft, unvollständig und veraltet

Quelle: 04.06.2024, Nordwest Zeitung, Daniel Kodalle

IM NORDWESTEN. (DK) Wenn man sich schon unters Messer legen muss, dann doch dort, wo man als Patientin oder Patient gut aufgehoben ist. Denn wer kein Notfall ist, hat die freie Krankenhaus-Wahl und nicht immer ist die nächstgelegene Klinik die beste für eine bestimmte Behandlung. Bei der Suche nach einer geeigneten Klinik soll der Bundes-Klinik-Atlas des Bundesgesundheitsministeriums helfen. Die Krankenhäuser im Nordwesten haben sich auf unsere Anfragen hin das neue Portal angeschaut und fällen ein zum Teil vernichtendes Urteil.

Die Suche
„Finden Sie Ihr Krankenhaus“ heißt es auf der Seite des Bundes-Klinik-Atlas. Dazu kann der Ort sowie Krankheit, Behandlung, Krankenhausname und Fachabteilung angegeben werden. Die Schwester-Euthymia-Stiftung, die Kliniken in Cloppenburg, Damme, Lohne und Vechta betreibt, stuft die Suche als kompliziert und für Laien unverständlich ein. Der Klinik-Atlas stifte „Verwirrung und Verunsicherung“.

Gesucht werden kann auch mittels ICD- und OPS-Kodes. Etwas, womit laut Dr. Alexander Poppinga, Vorstand des Evangelischen Krankenhauses in Oldenburg, Mediziner etwas anfangen könnten, Laien eher nicht. „ICD-Schlüssel sind medizinische Klassifikationen zur Systematisierung von Diagnosen.“ Dem Transparenzgedanken sei dies wenig dienlich.

Vom St. Bernhard-Hospital in Brake wurde die Suche einem Test unterzogen. „Sucht man nach einem Krankenhaus in Brake, erscheint das St. Bernhard-Hospital erst weit hinten“, heißt es. Kurios werde es, „wenn man ,Kaputte Hüfte’ eingibt. Dann wird man gefragt: ,Welche Behandlung soll gemacht werden?’ Und als erster Vorschlag kommt ,Operative Schädelöffnung über das Schädeldach’“. Das Urteil der Krankenhausleitung des Borromäus Hospital Leer: „maximal verwirrend“. Der Geschäftsführer des St.-Marien-Hospitals Friesoythe Bernd Wessels gibt an, selbst er als Experte könne nicht identifizieren, welches Krankenhaus für ihn das richtige sei und bezeichnete den Atlas als Populismus, Schnellschuss und gefährdend.

Die Daten
Wer sich ein Krankenhaus genauer anschauen will, dem stehen verschiedene Daten zur Verfügung: die Zahl der Betten, die Behandlungsfälle, der Pflegepersonalquotient sowie Angaben zu den Fachabteilungen und zur Notfallversorgung. Das Urteil der Krankenhäuser im Nordwesten: Die Angaben sind fehlerhaft, veraltet und unvollständig. „Auf der Profilseite unseres Klinikums stimmt leider nicht einmal die Telefonnummer“, teilt das Klinikum Bremerhaven Reinkenheide mit.

Zwar gibt es durchaus korrekte Daten und Angaben, aber auch diese sind nicht aktuell. So passe beim Krankenhaus Wittmund die Personalangabe „eher zum Jahr 2021“. Das Klinikum Leer vermutet, dass es sich „um veraltete Daten aus dem (...) Jahr 2021“ handelt. Klar wird: Die Krankenhäuser kennen die Quellen nicht. Und: Die Daten seien „im Vorhinein weder von uns erfragt, noch durch uns validiert worden“, heißt es aus dem Klinikum Wilhelmshaven. Das Resultat: Ein Vergleich ist nicht möglich.

Als „besonders besorgniserregend“ stuft man am Johanneum Wildeshausen ein, „dass es keine Möglichkeit gibt, diese fehlerhaften Daten zu korrigieren“. Ein Punkt, den auch weitere Häuser kritisieren.

Außerdem werden die Angaben zu den Fachabteilungen als „zu knapp“, „irreführend“ und „unvollständig“ empfunden. Denn: „Die Fachabteilungen werden nur nach den abgerechneten Fachabteilungsschlüsseln abgebildet. Unter-Fachabteilungen tauchen dort nicht auf“, wie Alexander Poppinga erläutert.

Massive Kritik gibt es zudem am Pflegepersonalquotienten, der die Zahl der Patienten pro Pflegekraft unter Berücksichtigung der Fallschwere abbilden soll. Kritikpunkt ist etwa, dass der Quotient krankenhausweit ausgewiesen werde und so nicht die Verteilung des Personals auf die Fachabteilungen einbezieht. Weder werde außerdem die Professionalisierung des Personals noch der Grad der Digitalisierung berücksichtigt.

Das Fazit
In einem sind sich viele Krankenhäuser einig: Transparenz ist gut. Doch nicht so. Auch wenn der Klinik-Atlas fortlaufend aktualisiert werden soll: Der Forderung des niedersächsischen Gesundheitsministers Andreas Philippi (SPD), den Atlas in seiner jetzigen Form vom Netz zu nehmen, schlossen sich einige Kliniken aus dem Nordwesten an.